Ringvorlesung Linguistik. Geschichte Eine. Einführung in sprachwissenschaftliche Theorien

Содержание

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Text- und Diskurslinguistik: Übersicht Textlinguistik Geschichtliche Entwicklung Textbegriff Sieben Kriterien der

Text- und Diskurslinguistik: Übersicht

Textlinguistik
Geschichtliche Entwicklung
Textbegriff
Sieben Kriterien der Textualität
Textsorten: Begriff und Beispiele
Diskurslinguistik
Diskursbegriff
Diskursformation:

Beispiel
Ansätze der Diskurslinguistik
Methodisches
Analysevokabular, Würfelmodell, Analysekategorien
Diskursstrategien im Diskurs-Historischen Ansatz

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Text- und Diskurslinguistik: Geschichtliche Entwicklung Entstehung in den späten 1960-er Jahren

Text- und Diskurslinguistik: Geschichtliche Entwicklung

Entstehung in den späten 1960-er Jahren im

Zuge der „pragmatischen Wende“ in der Sprachwissenschaft
Zunächst stärker grammatische Ausrichtung („Textgrammatik“, Kohärenz und Kohäsion), später sozio-pragmatische Ansätze (Textsorten)
Beeinflusst durch: Sprechakttheorie, theoretische Pragmatik, (kognitive) Textproduktionsforschung

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Stichwort Textlinguistik auf Google Scholar, Treffer/Jahrzehnt
1960—1969 25
1970—1979 1.080
1980—1989 2.120
1990—1999 2.640
2000—2009 5.520
2010—2018 7.450
https://scholar.google.de/scholar?q=textlinguistik

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Textlinguistik: Was ist ein Text? „Ein Text ist eine komplex strukturierte,

Textlinguistik: Was ist ein Text?

„Ein Text ist eine komplex strukturierte, thematisch

wie konzeptuell zusammenhängende sprachliche Einheit, mit der der Sprecher eine sprachliche Handlung mit erkennbarem kommunikativem Sinn vollzieht.“ (Linke et al. 2005: 275)
Bestimmungsmerkmale:
Komplexe (satzübergreifende) Struktur
Thema
Sinnzusammenhang (Kohärenz)
Handlungscharakter

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Prototypische Texte – hier: Zeitungstexte Bestehen ausschließlich aus sprachlichen Zeichen Umfassen

Prototypische Texte – hier: Zeitungstexte

Bestehen ausschließlich aus sprachlichen Zeichen
Umfassen mehrere, unterschiedlich

komplexe Sätze
Weisen Binnengliederung auf.

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Weniger prototypische Texte * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos

Weniger prototypische Texte

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Multimodale Texte
Visuelle

Strukturierung
Mehrere Textbausteine
Bilder und Farbe tragen Bedeutung mit
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Gebilde, die generell nicht als Texte wahrgenommen werden * Ringvorlesung Linguistikgeschichte

Gebilde, die generell nicht als Texte wahrgenommen werden

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und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)
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Ein Beispieltext (Quelle: https://www.mopo.de/30555700) * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Ein Beispieltext (Quelle: https://www.mopo.de/30555700)

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Ein Beispieltext Wohnraum in Hamburg wird zunehmend teurer. Deswegen haben insgesamt

Ein Beispieltext

Wohnraum in Hamburg wird zunehmend teurer. Deswegen haben insgesamt 119

Organisationen am Sonnabend zum „MietenMove“ aufgerufen, um gemeinsam für mehr bezahlbare Wohnungen in der Hansestadt zu demonstrieren. Vom Spielbudenplatz machten sich die Demonstranten auf in Richtung Klosterwall am Hauptbahnhof. Die Polizei zählte rund 3000 Teilnehmer, laut den Veranstaltern waren 8000 Menschen bei der Demo unterwegs. 
Florian Kasiske vom Netzwerk „Recht auf Stadt“ wertete die Demonstration angesichts des Zulaufs als großen Erfolg. Das zeige, dass viele wollten, dass sich die Wohnungspolitik in Hamburg ändert und die Gewinninteressen von Investoren eingeschränkt werden. 
Die Organisatoren der Großdemo werfen dem rot-grünen Senat vor, die Wohnungspolitik dem Marktgeschehen zu überlassen und folglich Mietpreisauswüchse zuzulassen. Zwar werde in Hamburg viel gebaut, „noch stärker als Wohnungsbauzahlen ziehen jedoch die Mietpreise an“, heißt es in dem Demonstrationsaufruf. Dabei habe sich die Mietpreisbremse „als ein zahnloser Tiger“ erwiesen.
Von Ottensen aus machten sich am Vormittag rund 500 Demonstranten unter dem Motto „Altona goes MietenMove“ gemeinsam auf den Weg Richtung St. Pauli zum Hauptzug. Auch sie forderten eine solidarische und soziale Wohnraumpolitik. Dazu skandierten die Teilnehmer unter anderem: „Unsere Straßen, unsere Stadt hat die Investoren satt.“ Andere hielten Schilder mit Aufschriften wie „Miethaie zu Fischstäbchen“ hoch. Unter den Demonstranten waren viele junge Erwachsene, aber auch Familien mit Kindern. 
Es kam entlang der Demo-Route zu leichten Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt. Laut der Polizei blieb der Protest über den gesamten Zeitraum friedlich. Die Abschlusskundgebung fand vor den City-Häusern am Klosterwall statt.

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Sieben Kriterien der Textualität R.A. de Beaugrande / W. Dressler (1981)

Sieben Kriterien der Textualität

R.A. de Beaugrande / W. Dressler (1981) Einführung

in die Textlinguistik. Tübingen: Niemeyer.
„Wir definieren einen Text als eine kommunikative Okkurenz, die sieben Kriterien der Textualität erfüllt.“
Textzentrierte (= grammatische, semantische) Kriterien
Kohäsion
Kohärenz
Gebrauchszentrierte (= pragmatische) Kriterien
Intentionalität
Akzeptabilität
Informativität
Situationalität
Intertextualität

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Kriterium 1: Kohäsion “Das erste Kriterium wollen wir Kohäsion nennen. Es

Kriterium 1: Kohäsion

“Das erste Kriterium wollen wir Kohäsion nennen. Es betrifft

die Art, wie die Komponenten des Oberflächentextes, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen [...] miteinander verbunden sind. Die Oberflächenkomponenten hängen durch grammatische Formen und Konventionen von einander ab, so daß also Kohäsion auf grammatischen Abhängigkeiten beruht.“ (de Beaugrande/Dressler 1981: 3f.)
Kohäsionsmittel:
Pro-Formen
Rekurrenz
Substitution
Ellipse
Metakommunikative Verknüpfung

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Kohäsion: Pro-Formen (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14) Pro-Formen sind inhaltsleere Sprachelemente.

Kohäsion: Pro-Formen (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14)

Pro-Formen sind inhaltsleere Sprachelemente. Ihre Funktion:

Verweis auf ein Bezugselement im Kotext
Pronomina, Pronominaladverbien
der Hund ? er
Ich weiß, du kommst bald wieder. Darüber freue ich mich.
Verweis „nach oben“ (anaphorisch), auf ein vorausgehendes Bezugselement
Verweis „nach unten“ (kataphorisch), auf ein nachfolgendes Bezugselement

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Kohäsion: Weitere Mittel (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14) Rekurrenz: Mehrfaches Auftreten

Kohäsion: Weitere Mittel (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14)

Rekurrenz: Mehrfaches Auftreten desselben Lexems
Substitution:

Ersetzung durch bedeutungsähnliches und referenzidentisches Sprachelement
Ellipse: Eine syntaktische Leerstelle verweist auf eine benachbarte Konstruktion:
Ich trinke gerne Wein, er __ lieber Bier
Metakommunikative Verknüpfung: Ausdrücklicher Verweis auf andere Textstellen (Textdeixis):
Wie bereits gesagt, setzt sich die Linguistik zum Ziel, Sprache zu beschreiben und zu erklären

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Substitution in der Pressesprache Die referenzidentische Ausdrucks-variation ist ein Stilmuster des

Substitution in der Pressesprache

Die referenzidentische Ausdrucks-variation ist ein Stilmuster des journalistischen

Schreibens.
Im Textverlauf wird ein und derselbe Referent mit mehreren Ausdrucksformen referiert, die jeweils andere semantische Aspekte hervorbringen.
HSV ? Hamburger SV ? die Norddeutschen ? die Mannschaft ? den HSV
Pierre-Michel Lasogga ? der Stürmer ? der 23-Jährige ? er ? Lasogga

http://www.ndr.de/sport/fussball/hamburger-sv-fc-augsburg-pierre-michel-lasogga,hsv14584.html

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Rekurrenz in Fachtexten In der Fachprosa wird ein anderes Stilmuster befolgt:

Rekurrenz in Fachtexten

In der Fachprosa wird ein anderes Stilmuster befolgt:
Ein

Sachverhalt wird grundsätzlich mit demselben Ausdruck referiert und im Verlauf der Darstellung weiter präzisiert, z.B. durch Komposita und Nominal-phrasen.
Ausdrucksvariation wird vermieden

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http://medcontent.metapress.com/content/dq23mh26x4326415/

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Formulieren und Fortführen: Beispiel Pollen sind die häufigsten Auslöser von Atemwegsallergien

Formulieren und Fortführen: Beispiel

Pollen sind die häufigsten Auslöser von Atemwegsallergien und

betreffen annährend 20 % der Bevölkerung. Dabei sind hierzulande vor allem Baumpollen, Gräserpollen sowie einzelne Kräuterpollen als Allergene relevant. Die Abklärung basiert auf einer eingehenden Anamnese, Hauttests und/oder Bestimmung von spezifischem IgE gegen die entsprechenden Allergene. Durch die differenzierte Bestimmung von IgE gegen molekulare Einzelallergene eröffnen sich neue Perspektiven in der In-Vitro-Allergiediagnostik, die wesentlich zu einem besseren Verständnis etwa von Kreuzreaktivitätsphänomen wie auch der spezifische Immuntherapie beitragen.
Die Behandlung der Pollenallergie basiert auf der größtmöglichen Allergenkarenz, der zunehmend wirksameren und nebenwirkungsärmeren medikamentösen Therapie sowie der allergen-spezifischen Immuntherapie (SIT) als einziger kausaler Therapie mit Ansprechraten bei bis zu 80 % der Patienten. Die SIT mit Pollenextrakten ist besonders bei mittlerer bis schwerer allergischer Rhinitis und leichteren bis mittlerem Schweregrad des allergischen Asthma sinnvoll. Auch bei Allergien auf Hausstaubmilben kann die SIT eine effiziente Behandlung darstellen. Für Allergien auf Tierepithelien und Schimmelpilzsporen ist die Datenlage dürftig; hier ist die SIT nur in Ausnahmefällen indiziert.

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http://medcontent.metapress.com/content/dq23mh26x4326415/

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Kohäsionsmittel im Beispieltext? * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Kohäsionsmittel im Beispieltext?

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Kriterium 2: Kohärenz “Das zweite Kriterium wollen wir Kohärenz nennen. Kohärenz

Kriterium 2: Kohärenz

“Das zweite Kriterium wollen wir Kohärenz nennen. Kohärenz betrifft

die Funktionen, die durch die Komponenten der Textwelt, d.h. die Konstellation von Konzepten (Begriffen) und Relationen (Beziehungen) welche dem Oberflächentext zugrunde liegen, für einander zugänglich und relevant sind.“ (de Beaugrande/Dressler 1981: S. 5)
Der Kohärenzbegriff betrifft also die Wissensstrukturen, die durch den Text „mit mehr oder weniger Einheitlichkeit und Konsistenz aktiviert oder ins Bewußtsein zurückgerufen werden“ (ebd.)
Kohärenz im Beispieltext:
Diverse Kohäsionsmittel (v.a. Rekurrenz und Substitution) machen thematische Stränge deutlich.
Konnektoren (deswegen, dabei) machen logische Relationen zwischen Propositionen deutlich

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Kriterium 3: Intentionalität „Das dritte Kriterium der Textualität könnte dann Intentionalität

Kriterium 3: Intentionalität

„Das dritte Kriterium der Textualität könnte dann Intentionalität genannt

werden: diese bezieht sich auf die Einstellung des Textproduzenten, der einen kohäsiven und kohärenten Text bilden will, um die Absichten seines Produzenten zu erfüllen, d.h. Wissen zu verbreiten oder in einem Plan angegebenes Ziel zu erreichen." (de Beaugrande/Dressler 1981: S. 8f.)
Mit dem Intentionalitätsbegriff wird gefragt: Welche Absicht verfolgt die/der Textproduzent/in mit der Anfertigung des Textes?
Im Beispieltext: Die Textproduzentin handelt von einer journalistischen Rolle heraus, informiert über ein lokales Ereignis und seine Hintergründe.
Textlinguistische Modellierung: Sprechakttheoretisch hergeleitete Textfunktionen

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Intentionalität: Textfunktionen (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14) * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Intentionalität: Textfunktionen (Darstellung nach Busch/Stenschke, Kap. 14)

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Kriterium 4: Akzeptabilität “Das vierte Kriterium ist die Akzeptabilität. Diese betrifft

Kriterium 4: Akzeptabilität

“Das vierte Kriterium ist die Akzeptabilität. Diese betrifft die

Einstellung des Text-Rezipienten, einen kohäsiven und kohärenten Text zu erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist, z.B. um Wissen zu erwerben oder für die Zusammenarbeit in einem Plan vorzusorgen. (...) Diese Einstellung spricht auf Faktoren an wie Textsorte, sozialen oder kulturellen Kontext und Wünschbarkeit von Zielen.“ (de Beaugrande/Dressler 1981: S.9)
Akzeptabilität ist die Kehrseite der Intentionalität
Für gelungene Kommunikation reicht es nicht, eine Mitteilung zu beabsichtigen, sie muss auch so geschehen, dass sie vom angedachten Rezipienten akzeptiert wird.

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Kriterium 5: Informativität “Das fünfte Kriterium der Textualität nennen wir Informativität

Kriterium 5: Informativität

“Das fünfte Kriterium der Textualität nennen wir Informativität und

meinen damit das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit / Ungewißheit der dargebotenen Textelemente.“
Informativität: Welche neue Information bzw. neues Wissen wird durch den Text beigesteuert?
Im Beispieltext: Keine expliziten Indikatoren, sondern konventionelle Annahme, dass Medienbeiträge neue Informationen anbieten.
Temporaldeixis (am Sonnabend, am Vormittag) verweist auf Aktualität

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Kriterium 6: Situationalität „Das sechste Kriterium der Textualität kann als Situationalität

Kriterium 6: Situationalität

„Das sechste Kriterium der Textualität kann als Situationalität bezeichnet

werden. Diese betrifft die Faktoren, die einen Text für eine Kommunikationssituation relevant machen. (...) Bedeutung und Gebrauch eines Textes [werden] über die Situation bestimmt.“
In der Textlinguistik wird die Kommunikationssituation eines Textes mithilfe mehrerer Faktoren modelliert („textexterne Faktoren“), u.a.
Handlungsbereich
Sender- und Empfängermerkmale
Beziehungskonstellation
Trägermedium

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Intertextualität “Das siebente Kriterium der Textualität nennen wir Intertextualität. Dies betrifft

Intertextualität

“Das siebente Kriterium der Textualität nennen wir Intertextualität. Dies betrifft die

Faktoren, welche die Verwendung eines Textes von der Kenntnis eines oder mehrerer vorher aufgenommener Texte abhängig macht. [...] Intertextualität ist, ganz allgemein, für die Entwicklung von Textsorten als Klassen von Texten mit typischen Mustern von Eigenschaften verantwortlich.“
Mit dem Intertextualitätsbegriff erfassen de Beaugrande/Dressler (1981) die Tatsache, dass jeder Text als Exemplar einer Textsorte verstanden (produziert und rezipiert) wird.

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Textsorten „Textsorten sind „konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen (…)

Textsorten

„Textsorten sind „konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen (…) Sie

haben sich in der Sprach-gemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ (Brinker 1997)

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Слайд 27

Textsorten „Textsorten sind „konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen (…)

Textsorten

„Textsorten sind „konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen (…) Sie

haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ (Brinker 1997)
Merkmale der Begriffsbestimmung:
Komplexe sprachliche Handlungen
Historisch verfestigte Muster
Typische Realisierungsform
Orientierungshilfen für den Umgang mit Texten
Entlastung der Produktion, Steuerung von Erwartung und Interpretation bei der Rezeption
Gestaltungsspielraum in der Realisierung, Möglichkeiten für Variation und Innovation
Teil des kommunikativen Alltagswissens

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Слайд 28

Die Rolle der Textualitätskriterien in der Textsortenanalyse „Außenseite“ einer Textsorte: Unter

Die Rolle der Textualitätskriterien in der Textsortenanalyse

„Außenseite“ einer Textsorte:
Unter welchen Bedingungen

wird mittels der Textsorte kommuniziert? (Situationalität)
Welchem kommunikativem Ziel dient die Textsorte? (Intentionalität)
Wird ein Text als Exemplar einer Textsorte erkannt? (Akzeptabilität)
„Innenseite“ einer Textsorte:
Was ist das Textsortenthema, welche Formen der Themenentfaltung liegen vor? (Kohärenz)
Wie ist die Textsorte strukturiert? (Kohäsion)
Was sind textsortentypische sprachliche und nichtsprachliche Mittel?

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* Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819) Beispiel: Pressetextsorten

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Beispiel: Pressetextsorten im sozialen

Kontext

Zwei Medienbeiträge über dasselbe Ereignis, veröffentlicht an demselben Tag (1.12.1999)
Zeitung 2: überregionale Qualitätszeitung
Zeitung 1: regionale Boulevardzeitung

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* Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819) Zeitung 2:

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Zeitung 2: Meldung („harte

Nachricht“)

Der erste Satz beantwortet alle wichtigen W-Fragen (Informativität)
Was: Prozess hat begonnen
Wer: gegen einen 17 Jahre alten mutmaßlichen Polizistenmörder
Wo: vor dem Mannheimer Landgericht
Wann: am Dienstag
Wie: unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Schlagzeile beantwortet sog. W-Fragen:
Was: Polizisten erstochen
Wer: 17-Jähriger
Wo: vor Gericht

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* Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819) Zeitung 1:

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Zeitung 1: Reportage

Chronologische

Erzählstruktur nach dem Vorspann: Tagesablauf
Mehrere Redeerwähnungen (Passanten, Vater)
Sprachliche Emotionalisierung
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Fragen zur Textlinguistik? * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Fragen zur Textlinguistik?

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Diskurslinguistik * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Diskurslinguistik

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Diskursbegriff in der Linguistik Etymologie lat. discurrere (‚hin- und herlaufen’) Ältere

Diskursbegriff in der Linguistik

Etymologie lat. discurrere (‚hin- und herlaufen’)
Ältere Begriffsbedeutungen:


Gesprochene Sprache, Sprache im Gebrauch
Sprachgebrauch in einer Institution, z.B. politischer Diskurs, Bildungsdiskurs
? Diskursbegriff des französischen Philosophen Michel Foucault, entwickelt an wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen über die Herausbildung gesellschaftlicher Institutionen wie Psychiatrie, Sexualität und Gefängnis (Foucault 1972 u.a.).
Diskurs nach Foucault: Eine durch Sprachgebrauch herbeigeführte „gesellschaftliche Herstellung und Ordnung von Praktiken, Objekten, Menschen, Ideen, kurz, von Realitäts-zusammenhängen insgesamt“ (Keller 2004).

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* Linguistischer Diskursbegrif: Einprägsame Definitionen Diskurse sind Praktiken, die systematisch die

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Linguistischer Diskursbegrif: Einprägsame Definitionen

Diskurse sind Praktiken, die systematisch die Gegenstände bilden,

von denen sie sprechen (Keller  2004).
Diskurs ist ein „Fluß von Wissen durch die Zeit“ (Jäger 2001:82).
Diskurs ist ein „Netz kulturell und historisch gebundener Aussagen“(Spitzmüller (2005:35)
Diskurs ist eine Menge von Aussagen, die aufeinander bezogen, institutionell zusammenhängen und Träger sowie Erzeuger von gesellschaftlichem Wissen sind (Auer 1999)
Diskurs ist eine Menge von Äußerungen, die an unterschiedlichen Stellen verstreut sind, nach demselben Muster bzw. Regelsystem gebildet sind (Keller 2004)
Diskurs ist eine „institutionell verfestigte Redeweise, [die] schon Handeln bestimmt und verfestigt und also auch schon Macht ausübt.“ (Link, zit. n. Jäger 2001: 82 ).

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Linguistische Begriffsbestimmung Ein Diskurs besteht aus zusammenhängenden Äußerungen, die an unterschiedlichen

Linguistische Begriffsbestimmung

Ein Diskurs besteht aus zusammenhängenden Äußerungen, die an unterschiedlichen Stellen

(Textsorten, Medien, ...) erscheinen. Diese Äußerungen stehen in einem thematischen und intertextuellen sowie institutionellen Zusammenhang zueinander. (Ein Diskurs ist also ein Gebilde, das weit über die Grenze einzelner Texte hinausreicht.) 
Diskurse tragen und erzeugen gesellschaftliches Wissen. Sie konstituieren Wirklichkeit, indem sie Grundmuster der Deutung setzen und entfalten.
Naturereignisse wie z.B. ein Erdbeben sind an sich außerdiskursiv, werden aber erst in einem Diskurs für Menschen sinnhaft, indem sie z.B. als Strafe Gottes oder als Ausdruck geologischer Prozesse gedeutet werden.

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Diskursive Formation/Diskursformation Was einen Diskurs definiert, sind nicht nur thematisch-intertextuelle Bezüge

Diskursive Formation/Diskursformation

Was einen Diskurs definiert, sind nicht nur thematisch-intertextuelle Bezüge zwischen

einzelnen Äußerungen bzw. Texten, sondern die Produktion dieser Äußerungen nach den gleichen diskursiven Regeln, d.h. nach einer bestimmten Diskursformation.
Eine Diskursformation ist eine Art Regelsystem des Wissens, das Spielräume und Grenzen des Sagbaren zu einer bestimmten Epoche und in einer bestimmten Gesellschaft definiert. Sie ist ausschlaggebend dafür, dass bestimmte Aussagen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten erscheinen können, andere hingegen nicht (Auer 1999: 234f.).

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Слайд 38

Diskursive Formation: Zwei Fragmente zum Gegenstand „Anglizismen“ Handout: Zwei Textauszüge („Diskursfragmente“)

Diskursive Formation: Zwei Fragmente zum Gegenstand „Anglizismen“  

Handout: Zwei Textauszüge („Diskursfragmente“)

von 2009
Kolumne im „Hamburger Abendblatt“ (Titel: „Wie wir unsere Sprache zerstören“).
Vortrag des Sprachwissenschaftlers Peter Eisenberg zum „öffentliche[n] Diskurs über die deutsche Sprache“.
Die Auszüge behandeln ein und denselben Gegenstand – „Anglizismen“ – nach den Regeln zwei verschiedener Diskursformationen: „Journalismus“ und „Wissenschaft“.
Diskurse über Anglizismen im Deutschen entfalten sich über Jahrzehnte hinweg (REF), erst in diesen Diskursen erlangen Anglizismen ihr geläufiges Verständnis in Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit, indem sie definiert, klassifiziert, bewertet bzw. abgewertet und insgesamt zum Gegenstand der

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Слайд 39

Diskursive Formation: Analysefragen/1 Wer ist legitimer Sprecher im Diskurs, von welchen

Diskursive Formation: Analysefragen/1

Wer ist legitimer Sprecher im Diskurs, von welchen Orten

aus wird gesprochen? (Foucault: „Formation der Äußerungs-modalitäten“):
Die beiden Texte unterscheiden sich in den Bedingungen der Autorenschaft.
Journalisten und Sprachwissenschaftler sprechen aus anderen Institutionen heraus, in denen der Zugang zum Sprechen nach jeweils anderen Maßstäben erworben wird und die Produktion von Äußerungen anderen Praktiken und Bedingungen folgt.

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Слайд 40

Diskursive Formation: Analysefragen/2 Wie benennt der Diskurs seinen Gegenstand? („Formation der

Diskursive Formation: Analysefragen/2

Wie benennt der Diskurs seinen Gegenstand? („Formation der Gegenstände“)


In beiden Texten ist von Anglizismen und Englisch die Rede – aber die Kotexte sind unterschiedlich.
Kolumne:
Macht und Gefahren von Anglizismen
Texte seien damit vollgestopft
Englisches im Deutschen: lausig, Pidgin-Englisch
Fachvortrag:
Struktur, Gebrauch, Integration von Anglizismen.
Kolumne: Denglisch als legitimes Diskussionsthema
Fachvortrag: „Denglisch“ als interdiskursives Zitat

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Слайд 41

Diskursive Formation: Analysefragen/3 Nach welchen Regeln sind Aussagen im Diskurs geformt?

Diskursive Formation: Analysefragen/3

Nach welchen Regeln sind Aussagen im Diskurs geformt? („Formation

der Begriffe“)
Fachvortrag:
Terminologie (z.B. Fremd-/Lehnwort, Affixe u.a.)
Unpersönliche Aussagesätze und Konstruktionen (u.a. Integration verläuft... problemlos; Lehnbildungen führen zu Ausspracheproblemen).
Metaphern der Integration bzw. Produktivität (Anglizismen werden als Elemente eines Systems dargestellt)
Kolumne:
Bewertungen (lausig, unnötig, scheußlich, blamieren)
Wortbildungen mit ver-/Ver-  (Verluderung und Verhunzung, Versetzung)
Zahlenmäßige Angaben (viele/zu viele Anglizismen).
Inklusives Wir: unsere Sprache, wir Dengländer.
Kriegs- und Flutmetaphern (Anglizismen als äußere, auf die deutsche Sprache einwirkende Macht)

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Слайд 42

Diskursive Formation: Analysefragen/4 Nach welchen Strategien wird der Gegenstand des Diskurses

Diskursive Formation: Analysefragen/4

Nach welchen Strategien wird der Gegenstand des Diskurses behandelt

(„Formation der Strategien“)?
Der Diskurs der journalistischen Kolumne folgt dem Primat der Erfahrung. Er nimmt sich das Recht, für die Sprachgemeinschaft zu sprechen, gibt wieder, was Menschen über Anglizismen vermeintlich denken und fühlen, greift dabei auf Bewertung und Ironie zurück.
Der Diskurs des wissenschaftlichen Vortrags folgt dem Primat der Evidenz: Sagbar ist, was über Anglizismen durch wissenschaftliche Methoden gesagt werden kann; Bewertungen, Ironie, Übertreibung gehören nicht dazu.

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Слайд 43

Diskurs und Text Texte (sowie Gespräche) sind „Träger“ von Diskursen. Diskurse

Diskurs und Text

Texte (sowie Gespräche) sind „Träger“ von Diskursen. Diskurse werden

in Texten "materialisiert“, sind ihnen jedoch übergeordnet
Darum versteht sich Diskurslinguistik als eine Art „transtextuelle“, Einzeltext übergreifende Sprachwissenschaft

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Слайд 44

Ansätze der linguistischen Diskursanalyse Kritische Diskursanalyse international, primär englischsprachig Ab den

Ansätze der linguistischen Diskursanalyse

Kritische Diskursanalyse
international, primär englischsprachig
Ab den späten 1980-ern
Linguistische Forschung

als Gesellschafts- und Machtkritik

Diskurslinguistik
deutschsprachig
An den späten 1990-ern
Schwerpunkt auf Diskurs als Wissen
Methodenentwicklung

Diskursanalyse
auf linguistischer Basis

Diskursanalyse
nach Foucault

Diskursanalyse
in anderen Disziplinen

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Die Linguistik versucht, „Foucaults aspektreiches Nachdenken über den Diskurs in ein realistisches operationalisierbares Programm zu überführen“. (Teubert 2013: 55).

Слайд 45

Methodisches Diskurslinguistisches Analysevokabular (Jäger/Jäger 2007) Diskursfragment – Eine materiell erfassbare, einmalige

Methodisches

Diskurslinguistisches Analysevokabular (Jäger/Jäger 2007)
Diskursfragment – Eine materiell erfassbare, einmalige Realisierung

eines Diskurses in einem Text bzw. Gespräch
Diskursstrang – Eine auf bestimmte Weise (z.B. temporal, thematisch, intertextuell) geordnete und interpretierbare Reihe von Diskursfragmenten
Diskursebene – Das soziale Feld, in dem ein Diskurs fortlaufend aktualisiert und fortentwickelt wird
Diskursereignis – Ein im Diskurs belegtes Realitätsereignis, das für den weiteren Diskursverlauf bedeutsam ist.  

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 46

Analysevokabular: Anwendung auf Beispieltext „MietenMove“ Diskursfragment – Der vorliegende Text ist

Analysevokabular: Anwendung auf Beispieltext „MietenMove“

Diskursfragment – Der vorliegende Text ist ein

Fragment aus einem größeren Diskurs
Diskursstrang – Der Text verweist auf vorausgehende Berichterstattung im Rahmen desselben Diskurses (z.B. Mietpreisbremse)
Diskursebene – Der Text ist ein Medienbericht (in einer regionalen Boulevardzeitung), und seine Machart ist durch die Diskursformation, in der er entstanden ist, geprägt.
Diskursereignis – Einzelne Ereignisse (z.B. Verabschiedung von Gesetzen) können im Diskurs über Wohnraum und Mitpreise Bedeutung gewinnen, indem sie referiert und zitiert werden.

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Слайд 47

Methodisches: Operationalisierung des Diskursbegriffs Diskurse entfalten sich in und durch Texte,

Methodisches: Operationalisierung des Diskursbegriffs

Diskurse entfalten sich in und durch Texte, ihre

Erforschung setzt also zwingend Textsammlungen (linguistisch: Korpora) voraus
Ein Korpus kann nie den „gesamten Diskurs“ umfassen, sondern stellt eine Teilmenge dessen dar.
Wie hat man sich das Verhältnis zwischen einem Diskurs und dem Korpus, das diesen Diskurs abbildet, vorzustellen?
Würfelmodell (Jung 2001): Visualisiert das Verhältnis zwischen Gesamtdiskurs („virtuellem Textkorpus“) und Korpus („konkretem Untersuchungskorpus“) als drei forscherseitig vorgegebene Einschränkungen

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 48

1 2 3 Korpus Diskurslinguistisches Würfelmodell (Jung 2001) * Ringvorlesung Linguistikgeschichte

1

2

3

Korpus

Diskurslinguistisches Würfelmodell (Jung 2001)

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Слайд 49

Diskurslinguistisches Würfelmodell (Jung 2001) Ein Korpus ist als Schnittmenge der Dimensionen

Diskurslinguistisches Würfelmodell (Jung 2001)

Ein Korpus ist als Schnittmenge der Dimensionen Thema,

Kommunikationsbereich und Textsorte zu verstehen.
Beispiel bei Jung (2001): „Frauenpolitischer Diskurs“
Teildiskurse, u.a. Gleichberechtigung und Abtreibung
Geführt in der Politik, in Fachwissenschaften, in den Medien (Dimension: Kommunikationsbereich),
Talkshow, Fachartikel, ... (Dimension: Textsorte).
Beispiel: Diskussion von Gender Pay Gap in Talkshows = ein kleiner „Würfel“ (= konkretes Korpus) aus dem großen „Würfel“ des „frauenpolitischen Diskurses“ (= virtuelles Korpus).

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 50

Korpuslinguistische Wende in der Diskursanalyse In den letzten Jahren orientiert sich

Korpuslinguistische Wende in der Diskursanalyse

In den letzten Jahren orientiert sich die

Erstellung von diskurslinguistischen Korpora zunehmend an Methoden der Korpuslinguistik (? Vorlesung Heike Zinsmeister)
Weitgehend durchgesetzt haben sich einige „...technisch relativ einfache korpuslinguistische Verfahren, die ohne aufwändige Infrastruktur, ohne vertieftes computer-linguistisches Knowhow und ohne institutionelle Anbindung an spezialisierte Forscherteams im IT-Bereich gelingen können.“ (Mautner 2012: 84)
Suchwort im Ko-Text (KWIC, key word in context):
Wortfrequenzen
Kollokationen
N-Gramme
Schlüsselwörter

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Слайд 51

Sprachliche Mittel im Diskurs: Analysekategorien Lexik Wortwahl für Referenz auf Akteure

Sprachliche Mittel im Diskurs: Analysekategorien

Lexik
Wortwahl für Referenz auf Akteure und

Ereignisse: Freiheitskämpfer oder Terrorist?
Deixis
Duzen oder Siezen? Anredeform? Welche soziale Beziehung wird durch die Wahl einer Alternative kontextualisiert?
Syntax
Durch syntaktische Verfahren wie Transitivität, Modalität, Passivierung, Topikalisierung, Nominalisierung können die Bedeutung von Ereignissen oder die Rolle von Akteuren hervorgehoben oder verschleiert werden.
Argumentationsmuster
Metaphern

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 52

Beispiel: Berichte über eine Sahara-Geiselbefreiung (Juni 2003, an demselben Tag veröffentlicht)

Beispiel: Berichte über eine Sahara-Geiselbefreiung (Juni 2003, an demselben Tag veröffentlicht)

Bild

Hannover

Handelsblatt

Hannoversche Allgemeine Zeitung

Hamburger Morgenport

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Слайд 53

Beispiel Geiselbefreiung (Juni 2003): Täterbezeichnungen * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Beispiel Geiselbefreiung (Juni 2003): Täterbezeichnungen

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos

WS1819)
Слайд 54

Flüchtlinge, Geflüchtete oder Refugees? Seminaraufgabe: „Untersuchen Sie die Verteilung und Verwendung

Flüchtlinge, Geflüchtete oder Refugees?

Seminaraufgabe:
„Untersuchen Sie die Verteilung und Verwendung

dieser drei Nominationen in zwei Medien Ihrer Wahl. Sind sie austauschbar? Sind sie ideologisch aufgeladen?“
Vorgehen von Studierenden, exemplarisch:
Empirischer Vergleich zweier Zeitungen auf Grundlage von Textdatenbanken (DeReKo, NexisLexis)
Befunde von Studierenden, exemplarisch:
Flüchtlinge ist evaluativ neutral
Geflüchtete ist insg. selten, aber recht häufig in der taz
Eine Pressemitteilung der Linken in Hessen und ein Zeitungskommentar von Katja Kipping (Die Linke) verwenden nur Geflüchtete
Refugees wird nur sloganartig und in Anführungszeichen verwendet

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Слайд 55

* Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819) Lange Haftstrafe

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Lange Haftstrafe für Disko-Täter
NACHGEFRAGT

bei Prof. CHRISTIAN PFEIFFER, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts
“Zu Gewalt bereit“
Herr Prof. Pfeiffer, warum sind an blutigen Diskostreitigkeiten so oft Russlanddeutsche und Türken beteiligt? Bei diesen Gruppen ist Gewaltbereitschaft ein Problem. [...] Woran liegt es? Wir haben eine Macho-Kultur festgestellt. Sie gibt es verstärkt in sehr rückständigen Gebieten, wo das staatliche Gewaltmonopol nicht funktioniert. Dort wird den Söhnen beigebracht, nur auf die eigene Stärke zu vertrauen. Aber die Menschen leben doch zum Teil schon jahrelang hier. Natürlich passt Macho-Kultur nicht in eine moderne Gesellschaft. Trotzdem wird sie bei bestimmten Zuwanderern vom Vater an den Sohn weitergegeben. Allein der Aufenthalt hier ändert daran nichts. [...] Die Integration ist also gescheitert? Zum Teil leider ja. Wer daran etwas ändern will, muss im Kindergarten anfangen. Mehmet muss mit Max schon im Sandkasten spielen.
Слайд 56

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009) Was bedeutet Strategie?

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009)

Was bedeutet Strategie? (Wodak

et al. 1998)
Handlungsplan zur Erreichung eines bestimmten Ziels
mehr oder weniger bewusst/automatisiert
mehr oder wenig genau
mehr oder weniger elaboriert
Eine Strategie vermittelt zwischen den Zielen der Kommunikationspartner und den eingesetzten sprachlichen (und nichtsprachlichen) Mitteln
Strategien werden realisiert durch sprachliche Handlungen
Handlungen bieten interpretative Rückschlüsse auf verfolgte Strategien

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Слайд 57

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009) Referentielle Strategien Wie

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009)

Referentielle Strategien
Wie wird auf

zentrale Sachverhalte und soziale Akteure Bezug genommen?
Wir-Gruppen und Sie-Gruppen
Nominalisierungen (Adjektive, Präpositionalphrasen)
Prädikative Strategien
Welche (positiven oder negativen) Charakteristika werden den betreffenden Sachverhalten und Akteuren zugeschrieben?
Positive Selbst- und negative Fremddarstellung gehen häufig Hand in Hand Attribute, Prädikate, Vergleiche, Metaphern, rhetorische Figuren u.a.
Argumentative Strategien
Welche Argumentationsschemata werden herangezogen, um die Ein- bzw. Ausgrenzung von spezifischen Personen oder Gruppen zu rechtfertigen?
Welche Präsuppositionen liegen diesen Annahmen zugrunde?
Strategien der Perspektivierung
Von welchem Standpunkt aus werden Benennungen, Zuweisungen und Argumentationen ausgedrückt?
Verstärkungs- und Abschwächungsstrategien
Werden die betreffenden Behauptungen, Aussagen, Urteile usw. verstärkt oder abgeschwächt?

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Слайд 58

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009) 1. Referentielle Strategien

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009)

1. Referentielle Strategien
Leitfrage: Wie

werden die im Diskurs relevanten Sachverhalte und sozialen Akteure benannt bzw. wie wird auf sie Bezug genommen?
Referentielle Strategien betreffen die sprachliche Identifikation und Repräsentation von Sachverhalten und sozialen Akteuren
Akteure werden typischerweise als Wir-Gruppen bzw. Sie-Gruppen dargestellt
Diese Strategien werden in erster Linie durch Nominale, ferner durch Adjektive, Präpositionalphrasen usw. realisiert

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Слайд 59

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009) 2. Prädikative Strategien

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009)

2. Prädikative Strategien
Leitfrage: Welche

Eigenschaften und Charakteristika werden den betreffenden Sachverhalten und Akteuren zugeschrieben?
[Durch] Strategien der Prädikation [werden] den zuvor identifizierten Sachverhalten oder sozialen Akteuren – seien es Individuen oder Gruppen von Personen – positive oder negative Eigenschaften in Form von impliziten oder expliziten und mehr oder weniger wertenden Prädikaten zugewiesen [...] Positive Selbstdarstellung und negative Fremddarstellung gehen „häufig Hand in Hand “ (S. 24)
Sprachmittel:
Prädikate
Attribute (Adjektive, Appositionen, Präpositionalphrasen, Relativsätze)
Vergleiche und Metaphern
rhetorische Figuren (Metonymien, Euphemismen, etc.)
Präsuppositionen, Implikaturen

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 60

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009) 3. Argumentative Strategien

Diskurs-Historischer Ansatz: Diskursstrategien (Reisigl 2007, de Cilia/Wodak 2009)

3. Argumentative Strategien
Leitfrage: Welche

Argumente bzw. Argumentationsschemata werden herangezogen, um die Ein- bzw. Ausgrenzung von spezifischen Personen oder Gruppen von Personen zu rechtfertigen und zu legitimieren? Welche Präsuppositionen liegen diesen Annahmen zugrunde, welche Implikaturen werden sichtbar?
4. Strategien der Diskursrepräsentation und Perspektivierung
Leitfrage: Von welchem Standpunkt aus werden diese Benennungen, Zuweisungen und Argumentationen ausgedrückt?
5. Verstärkungs- und Abschwächungsstrategien
Leitfrage: Werden die betreffenden Behauptungen, Aussagen, Urteile, Meinungen und Vorurteile explizit geäußert, werden sie vielleicht sogar noch verstärkt oder abgeschwächt?

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Слайд 61

Diskursstrategien in Übersicht (Baker et al. 2008) * Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)

Diskursstrategien in Übersicht (Baker et al. 2008)

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Ringvorlesung Linguistikgeschichte :: Text- und

Diskurslinguistik (Androutsopoulos WS1819)